04.02.2014

Europaparlament fordert: öffentliche Bauprojekte durch BIM modernisieren


Die Bauindustrie begrüßt die Forderung des Europäischen Parlaments, öffentliche Bauprojekte durch den Einsatz des BIM-Verfahrens zu modernisieren.

 Am 15.01.2014 empfahl das Europäische Parlament, das Vergaberecht der Europäischen Union zu modernisieren, indem der Einsatz von computergestützten Methoden wie Building Information Modeling (BIM) zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Ausschreibungen empfohlen wird. Führende Köpfe aus der europäischen Baubranche unterstützen diese Entscheidung.


BIM ist ein intelligenter Prozess für Entwurf, Planung, Bau und Betrieb von Bau- und Infrastrukturmaßnahmen. Es steht für eine andere Art der Kommunikation, bei der alle Vorgänge im Lebenszyklus eines Bauprojekts miteinander in Verbindung stehen. Den Kern bildet ein digitales 3D-Modell, auf das alle Projektbeteiligten (Architekten, Ingenieure, Bauherren etc.) Zugriff haben und damit jederzeit einen aktuellen Wissenstand sowie einen Gesamtüberblick über das Projekt haben. Anders als in einer herkömmlichen 2D-Planung, in der sämtliche Planungsschritte völlig getrennt voneinander erfolgen, werden diese durch die BIM-Methode verzahnt. Es entstehen konsistentere, bessere Informationen, egal wann und wie oft der Entwurf im Planungsprozess geändert wird. Im Ergebnis werden Bauvorhaben mit dieser Methode schneller, wirtschaftlicher und nachhaltiger umgesetzt und fertig gestellt.

Die Verabschiedung der Richtlinie für das EU-Vergaberecht bedeutet, dass bis 2016 alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Nutzung von BIM bei der Realisierung von öffentlich finanzierten Bau- und Infrastrukturprojekten fördern sollen und diese genauer spezifizieren sowie verpflichtend anordnen können. Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Norwegen schreiben die Nutzung von BIM bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben bereits vor.

Die Nutzung von BIM bietet folgende Vorteile:

Kostenersparnisse für die Steuerzahler:
Die öffentliche Auftragsvergabe spielt eine wichtige Rolle für die gesamtwirtschaftliche Leistung der EU. Öffentliche Stellen geben ungefähr 18 Prozent des europäischen Bruttoregionalprodukts für Materialien, Erzeugnisse und Dienstleistungen aus. Gemäß eines 2012 erschienenen Berichts der europäischen Kommission konnten öffentliche Einrichtungen, die eine digitale BIM-Lösung implementiert haben zwischen 5 und 20 Prozent einsparen.

Das Gesamtvolumen des europäischen Ausschreibungsmarkts wird auf mehr als 2 Billionen Euro geschätzt. Eine Kostenminderung um 5 Prozent würde demnach eine Ersparnis von 100 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten – so viel, wie der Bau von 150 Großkrankenhäusern kosten würde. In Deutschland wird das Gesamtvolumen des öffentlichen Ausschreibungsmarkts auf mehr als 180 Milliarden Euro geschätzt. Eine Kostenminderung um 5 Prozent würde demnach eine Ersparnis von 9 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten.

In Großbritannien ist der Einsatz von BIM bei der Vergabe von öffentlichen Großbauprojekten bereits Pflicht. Die britische Regierung schätzt, dass dadurch seit 2012 bei solchen Projekten 1,7 Milliarden Pfund (in etwa 2 Milliarden Euro) eingespart wurden. Außerdem wurden 66 Prozent der Aufträge der britischen Hauptbehörde für Bauvergabe fristgerecht und innerhalb des Budgetrahmens fertig gestellt. Im Vergleich zu 2010 war das eine nicht unwesentliche Steigerung um 33 Prozent (Quelle: Construction News).

Wirtschaftlicher Aufschwung für die Baubranche:
2012 erwirtschaftete die deutsche Baubranche 4,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und beschäftigt derzeit etwa 2,5 Millionen Arbeitnehmer – hauptsächlich in kleinen und mittelständischen Unternehmen. Sie ist zudem ein Großabnehmer für Zwischenprodukte, wie Rohstoffe, Chemikalien, elektrischem und elektronischem Equipment sowie damit zusammenhängenden Dienstleistungen.

Mehr Einfluss auf Nachhaltiges Bauen:
Bereits bestehende Gebäude verursachen schätzungsweise 40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen sowie des gesamten Energieverbrauchs in derselben Größenordnung. BIM spielt auch bei Sanierungsprojekten zur Verbesserung der Energieeffizienz eine wichtige Rolle, weshalb dieser Aspekt ebenfalls in den Geltungsbereich des EU-Vergaberechts fällt.

Roland Zelles, Vice President EMEA bei Autodesk, einem führenden Hersteller von 3D-Software: „Erstmalig fordert die EU von ihren Mitgliedsstaaten, bei der Modernisierung und Verbesserung von öffentlichen Vergabeprozessen auch moderne Softwaretechnologien zu nutzen. Der heutige Richtlinienerlass bedeutet für die EU und ihre Mitgliedsstaaten einen großen Schritt nach vorne. Die Nutzung des BIM-Verfahrens über die gesamte europäische Architektur-, Ingenieur-, und Baubranche hinweg würde nicht nur Kosten bei öffentlich finanzierten Bauprojekten reduzieren. Sie verhilft auch der deutschen Branche zu einem enormen Aufschwung, wenn es darum geht, im weltweiten Wettbewerb internationale Bauausschreibungen zu gewinnen.“

Prof. Dr.-Ing. André Borrmann, Lehrstuhl für Computergestützte Modellierung und Simulation Technische Universität München: „Während einzelne, besonders innovative Planungsbüros und Baufirmen Building Information Modeling bereits konsequent einsetzen, steht in Deutschland die flächendeckende Einführung noch bevor. Eine maßgebliche Rolle kommt dabei der öffentlichen Hand zu, die in vielen anderen Ländern die Nutzung von BIM in der Bauplanung bereits verbindlich vorgeschrieben hat. Die EU Beschaffungsdirektive für die öffentliche Hand setzt jetzt einen konkreten Handlungsrahmen für die Mitgliedstaaten, die dies in nationale Richtlinien umsetzen sollen. Vielen der Herausforderungen, mit denen wir uns bei der Umsetzung öffentlicher Großprojekte in den vergangenen Monaten und Jahren in Deutschland konfrontiert gesehen haben, kann durch den umfassenden Einsatz von BIM begegnet werden.“

Peter Russell, Professor für Computergestütztes Planen in der Architektur an der RWTH Aachen University und Architekt: „Die Empfehlung des EU-Parlaments ist deutlich zu begrüßen. Neben den bekannten Effizienzgewinnen in der Projektplanung und -abwicklung wird der Einsatz BIM-basierter Planungswerkzeuge nicht nur die energetische Simulation von Bauten verbessern sondern es auch ermöglichen die Stoffflüsse im Bausektor besser zu verstehen. Damit wird BIM eine große Rolle spielen, um die Ressourceneffizienz in der Architektur zu erhöhen. Das ist gut für die Lebensqualität der Menschen und auch gut für die Architektur.“

Siegfried Wernik Vorsitzender buildingSMART e.V. und Gesellschafter LÉON WOHLHAGE WERNIK, Gesellschaft von Architekten mbH: „Die Verabschiedung der EU Richtlinie zur öffentlichen Beschaffung schafft für die Mitgliedstaaten den Rahmen, dass der Nutzen von Building Information Modelling bei Bauprojekten sich auch dort erschließt, wo es bisher noch keine Richtlinien dafür gibt. In Großbritannien hat die Regierung als einer der wichtigsten Auftraggeber der Bauwirtschaft erkannt, welche Möglichkeiten in korrekten und konsistenten Daten liegen. Diese werden erhoben, mit dem Ziel eine neue Transparenz in die Informationen über ein Projekt zu schaffen und damit die Wirtschaftlichkeit der Bauwirtschaft zu erhöhen, die Qualität zu verbessern, eine CO2-Reduzierung zu erreichen und die Position der britischen Bauwirtschaft auf dem Weltmarkt zu stärken.“